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Margarethenkirche
Die Kirche in der heutigen Form wurde 1488 im gotischen Stil fertig gebaut. Es ist der dritte Bau an dieser Stelle (die erste Kirche auf diesem Platz soll aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts stammen!) Die Siebenbürger Sachsen sind in der Regierungszeit des ungarischen Königs Géza II (1141-1161) nach Siebenbürgen gekommen. Herkunftsorte: das Gebiet zwischen Mosel und Rhein, Flandern, Bayern.
Mit dem Bau von Kirchenburgen wurde in Siebenbürgen im 15. Jahrhundert begonnen - als Schutzmaßnahme gegen Türken- und Tatareneinfälle.
Das Mediascher Kirchenkastell ist das einzige seiner Art in ganz Siebenbürgen. Die Kirchen in Hermannstadt/Sibiu, Kronstadt/Braşov, Schäßburg / Sighişoara, Bistritz/Bistriţa, Klausenburg/Cluj besitzen keine Wehrburg.
Als dauerhaft bewohnte Wehranlage, beherbergt das Kastell nämlich nicht nur die berühmte Margarethenkirche mit ihren Schätzen, sondern auch weitere Gebäude - wie z.B. das Pfarramt und das Dekanat, das Pfarrhaus und die Pfarrwohnungen, die Deutsche Schule (Hermann-Oberth-Schule), das Geburtshaus von Stephan Ludwig Roth, den Diakonieverein u.a.
Von einem älteren Teil der Kirche sind die Fresken auf der Nordseite des Seitenschiffes erhalten, und zwar aus dem Ende des 14. Jahrhunderts (ca. 1385 n.Chr.) Die Fresken auf der Innenseite des Hauptschiffes sind aus dem Jahr 1420. Sie zeigen unter anderem einen Stammbaum Jesu, das Martyrium der 10.000 und Szenen der Passionsgeschichte.
Der Hauptaltar wurde in der Zeitspanne 1480-1490 gemalt. Der Maler ist uns unbekannt geblieben, wir wissen aber, dass er aus der Wiener Schule stammt, mit Einflüssen des Schottenstifts in Wien (vielleicht ein Schüler des Schottenstiftmeisters?) Erst im Jahr 1930 entdeckte der Kunsthistoriker Theobald Streitfeld, dass im Hintergrund der VII. Tafel (Jesus am Kreuz) die Stadt Wien dargestellt ist! Klar sichtbar im Bild: der Stephansdom, die Minoritenkirche, die Kirche Maria am Gestade u.a. Der Altar ist somit auch ein wichtiger Beitrag zu der Architekturgeschichte der Stadt Wien im Mittelalter! Der Mediascher Hauptaltar ist ein Flügelaltar (wie viele andere in Siebenbürgen) – kann also geöffnet und geschlossen werden.
Die schönere und wertvollere Seite ist die (fast das ganze Jahr über sichtbare) geschlossene Werktagsseite (oder Passionsseite). Sie zeigt auf 8 Tafeln folgendes: I. Der Kuss des Judas, II. Die Peinigung, III. Die Dornenkrönung, IV. „Seht, welch ein Mensch!“ (Pilatus zeigt Jesus dem Volk), V. Die Kreuztragung, VI. Die Rast auf dem Weg zur Stätte Golgatha, VII. Die Kreuzigung, VIII. Die Auferstehung.
Die Festtagsseite ist nur 2 mal im Jahr zu sehen: zu Weihnachten und zu Ostern. Im Inneren des Schreins stehen 3 Holzfiguren (Jesus, seine Mutter Maria und Maria Magdalena) und an den Seiten sind die 4 Symbole der 4 Evangelisten (Adler, Engel, Stier und Löwe) zu sehen. Die Predella am Hauptaltar wurde im Jahr 1520 von Vicentius aus Hermannstadt gemalt – in einem ganz anderen Stil, als die Malereien des unbekannten Meisters!
In unserer Kirche befinden sich noch andere 3 Altäre (weiter unten vom Pfr. i.R. Dr. Dietmar Plajer ausführlich beschrieben): a) aus Tobsdorf / Dupuş (1522) (im nördlichen Seitenschiff), b) aus Nimesch / Nemşa (1520, 1850) (auf der Schneiderempore) und c) aus Schorsten / Soroştin (1520) (in der Sakristei). Sie wurden Ende der 90-er Jahre vor Diebstahl bzw. als Rettungsmaßnahme vor Zerstörung nach Mediasch gebracht . In diesen 3 Ortschaften leben heute sehr wenige Evangelische.
a) der Tobsdorfer Altar gehört zu den kleinsten Werken dieser Kunstgattung in Siebenbürgen. Er überrascht durch einige Besonderheiten. Ungewohnt ist auf der Festtagsseite der hohe und verhältnismässig schmale Mittelschrein. Er ist umgeben von vier gemalten Engelgestalten, die die Marterwerkzeuge des Heilands, die "Arma Christi" zeigen (Kreuz, Martersäule, Rute, Nägel, Lanze und Stab mit dem Essigschwamm). Ungewohnt ist auch die Christustypologie auf den einzelnen Tafeln. Die Typologie findet in alttestamentlichen Berichten schon Hinweise auf Christus. So werden drei alttestamentliche Darstellungen hier auf das Abendmahl bezogen. Am deutlichsten ist der Bezug zum Passamahl. Aber auch die Darstellung der Mannalese in der Not der Wüstenwanderung ist nach Johannes 6 ein Hinweis auf das rettende Mahl, in dem Christus als das Brot des Lebens sich selber den Seinen gibt. Schließlich steht auch der geheimnisvolle Priester Melchisedek, der dem von einem Feldzug heimkehrenden Abraham begegnet und ihm Brot und Wein reicht, als ein Hinweis auf das Abendmahl. Die Werktagsseite zeigt die übliche Passionsdarstellung. Die Darstellung der Leidensgeschichte wird zur Auferstehung des Herrn weitergeführt, denn Ostern ist das älteste und wohl auch bedeutendste Fest der Christenheit. Die Inschrift in der Hand des Schergen auf der Darstellung der Dornenkrönung trägt die Jahreszahl 1522. Doch steht im Widerspruch zu dieser Datierung, dass der Meister anscheinend die Gesetze der perspektivischen Darstellung, die um diese Zeit sonst beachtet wurden, völlig ignoriert, wie das Tischtuch in der Szene vom Passamahl zeigt.
b) Die Entstehung des Schorstener Altars wird um das Jahr 1520 angesetzt. Eine grobe Übermalung hatte im Jahre 1904 die ausdruckskräftigen Darstellungen des alten Meisters glücklicherweise nicht zerstört. Gelegentlich der Restaurierung in den Jahren 1978-1980 wurden diese wieder freigelegt. Die Holzplastiken aus dem Mittelschrein dürften schon zur Zeit der Reformation abhanden gekommen sein. Im Zuge der letzten Restaurierung wurde in den Mittelschrein der aus der Draaser Kirche (Drauseni) stammende Kruzifixus aus 1787 gestellt. Auf der Festtagsseite sind die ausdruckskräftigen Züge in der Darstellung Marias zu beachten. Die Werktagsseite zeigt den klassischen Leidensweg Jesu, der mit der Grablegung endet. Bei sechs der dargestellten Szenen ist deutlich zu erkennen, dass sie nach den Holzschnitten aus Albrecht Dürers Kleiner Passion gestaltet sind.
c) Der Schreinaltar aus Nimesch wird von den Restauratoren Gisela und Otmar Richter als "prächtig und phantasievoll, stilistisch zwischen Frührenaissance (Schreinarchitektur) und Donauschule einzuordnen" beschrieben. Wertvoll sind außer der Konzeption und Architektur des Altars die malerischen Darstellungen in der Lünette und der Predella. Während es sich bei der ersten Darstellung um die Taufe Jesu handelt, bleibt beim Betrachten der unteren angeblich unklar, was sie darstellen soll. Es kann sich dabei wahrscheinlich um die Tötung des Jünger Jakobus handeln, der nach Apostelgeschichte 12, 1 auf Befehl des Königs Herodes mit dem Schwert hingerichtet wurde.
Die Schneiderempore auf der Südseite der Kirche ist die einzige Empore unserer Kirche (außer der Orgelempore). Auf der Brüstung befindet sich das Wappen der Schneiderzunft (Schere und Nadel). Das zeigt uns, wie wichtig die Zünfte in der Vergangenheit gewesen sind. Die Schneider waren wahrscheinlich sehr reiche und einflussreiche Männer in Mediasch, so dass sie eine eigene Empore bekamen. Später saßen hier Jugendliche beim Gottesdienst, oder es wurde Konfirmandenunterricht gehalten. Heute befindet sich auf der Schneiderempore ein kleines Museum.
Das Taufbecken ist um das Jahr 1370 entstanden, somit ist es das älteste Taufbecken der evangelischen Kirchen in Rumänien. Darauf steht das „Ave Maria“ geschrieben. Solche bronzene Taufbecken wurden meistens aus Waffen der Kriege gegossen (Helme, Schwerter, Schilder etc.). Im Inneren des Taufbeckens befindet sich noch ein türkisches Gefäß (siehe die arabische Inschrift auf dem Rand!) Das Taufbecken wird heute auch als Lesepult verwendet.
Die Teppiche an den Wänden im Chorraum und im Hauptschiff der Kirche stammen aus der Zeitspanne zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert. Es sind anatolische Teppiche, die der Kirche von Händlern gespendet worden sind (vielleicht nach einer geglückten Reise oder für die erhörten Gebete?) Heute sind sie ein wichtiger Schatz, da es kaum ein anderer Ort in der Welt gibt, wo so viele alte und seltene Teppiche zusammenzufinden sind. Vor kurzem wurde eine wichtige Studie zu allen Teppichen aus den Kirchen und Museen Siebenbürgens herausgegeben. Die größte Teppichsammlung befindet sich in Kronstadt/Braşov, in der berühmten „Schwarzen Kirche“.
Die Grabsteine (hinter dem Altar) sind Grabplatten von Persönlichkeiten, die in den Kirchenboden begraben wurden. Das sind Pfarrer, Bürgermeister, Richter oder auch Pfarrfrauen. Die ältesten stammen aus dem 16. Jahrhundert. Der erste Grabstein links ist der Grabstein des Pfarrers und Schriftstellers Christian Schesaeus (Autor des Werkes „Ruinae pannonicae“). Diese Grabsteine wurden vor längerer Zeit aus dem Boden herausgeholt und in die Wand des Chorraumes eingemauert.
Die Gedenktafeln aus Stein links und rechts vom Altar sind zu Gedenken an die Gefallenen der beiden Weltkriege aufgestellt worden. - Gefallene des I. Weltkrieges (1914-1919); - Gefallene des II. Weltkrieges (1933-1945), Opfer der Deportation (in die UdSSR) und die in kommunistischen Lagern Gestorbenen.
Barock in unserer eigentlich gotischen Kirche sind:
- die Orgel, die im Jahr 1755 fertig gebaut worden ist. Orgelbauer war Meister Johannes Hahn aus Hermannstadt. Sie wurde mehrere Male restauriert, im Jahr 2005, als sie gerade ihren 250. Geburtstag gefeiert hat und wieder eingeweiht worden ist und nochmals 2014. Sie besitzt 2 Manuale (Klaviaturen) und ein Pedal. Sie zählt ca. 1.370 Pfeifen. Die Orgel wird jeden Sonntag im Gottesdienst gespielt. Im Sommer gibt es jeden Montag Abend (19 Uhr) ein Orgelkonzert (es spielen in- und ausländische Organisten). - der Kanzeldeckel (Baldachin über der Kanzel), der im Jahr 1679 vom berühmten Bildhauer Sigismund Moess geschnitzt wurde. Ganz oben thront der Erzengel Michael über dem Drachen. Die Taube darunter symbolisiert den Heiligen Geist (für den Prediger ganz wichtig!)
Die Sitzbänke im vorderen Teil der Kirche sind in Mediasch (so wie in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt / Brasov) eine Sehenswürdigkeit für sich: sie haben verstellbare Sitzlehnen! In jedem Gottesdienst (bei der Predigt) und bei jedem Orgelkonzert können darum die Besucher mit dem Gesicht zur Kanzel bzw. Orgel sitzen.
Auch auf dem Gewölbe des Kirchenraums (Netzgewölbe im gotischen Stil), können wir Sehenswürdiges entdecken: - Hauptschiff: Wappen von Städten, Richterstühlen, Königen, Zünften u.a. - Chorraum: 12 Apostel und 4 Kirchenväter. Neben jedem Schlussstein ist ein Schriftband mit dem Namen des Apostels und einem Teil des Glaubensbekenntnisses in lateinischer Sprache (Credo) zu sehen. (Es gibt eine Legende, die sagt, dass das Glaubensbekenntnis darum „Apostolisches Glaubensbekenntnis“ heißt, weil die 12 Apostel je einen Teil davon aufgesagt hätten.)
Der hohe und schiefe Turm wird Trompeterturm (auch Tramiterturm) genannt. Früher spielte er die wichtige Rolle eines Wachturmes. Die Figur auf der SO-Seite heißt „Turre-Pitz“ (Turmpeter) und schlägt jede volle Stunde, nach den Viertelschlägen, 10 mal. Eine schöne Erklärung dafür ist, dass er dadurch an die 10 Gebote erinnert. Der Turm ist 68, 5 m hoch und wurde nach 1550 um zwei Stockwerke erhöht. Er ist berühmt auch als „der schiefe Turm von Mediasch“ (die Neigung von der Vertikalen ist von ca. 2,3 Meter!)
Die Uhr auf dem Turm stammt aus dem Jahr 1880.
Gerhard Servatius-Depner Stadtpfarrer
Bilder: Eduard Baak (Kronstadt/Brasov)
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