Männeroktett

 


Das Mediascher Männeroktett


Musik macht man selbst - 120 Jahre Mediascher Männeroktett


Das Mediascher Männeroktett ist natürlich nicht die älteste kulturelle bzw. musikalische Einrichtung in Siebenbürgen, jedoch eine der wenigen, die seit ihrer Gründung im Jahre 1896 ununterbrochen aktiv ist und sich sogar erweitert hat. Es singen nämlich inzwischen zwei Mediascher Männeroktette, das eine in Mediasch, das andere in Deutschland. 

120 Jahre ist eigentlich eine nichtssagende Zahl. Was ist das schon neben 870 Jahren seit der Einwanderung der Siebenbürger Sachsen, oder 800 Jahren seit dem Auftreten des Deutschen Ritterordens im Burzenland. 

Aussagekräftiger werden diese Jahre erst, wenn wir bedenken, was dazumal so geschah, vor 120 Jahren. Es hatte noch keinen Weltkrieg gegeben, es fuhren (auch lange danach!) keine Autos durch Mediasch, in den Scheunen hörte man im Spätsommer die Dreschflegel, am Himmel sah man Wolken und Vögel, von Flugzeugen keine Spur. Elektrisches Licht gab es noch keins und auch keine Erdgasheizung. Geteerte Straßen waren nicht mal dem Namen bekannt. 
Hermann Oberth dachte noch nicht an die Raumfahrt, und Schuster Dutz hatte noch keine Gedichte geschrieben, sie besuchten gerade erst die unteren Klassen der Volksschule. Carl Römer schrieb 1896 an seinem später so bekannten Bäm Hontertstreoch und, Hermann Kirchner war gerade als Direktor des Musikvereins nach Mediasch berufen worden und vertonte das so aussagekräftige Gedicht.

Ja, Musik und Musizieren war groß geschrieben. 
Es gab noch keine der modernen Tonträger, Kopfhörer, Aufnahme- und Wiedergabegeräte, kein Radio, geschweige denn Fernsehen. Musik machte man selbst: im eigenen Haus, in der Schule, im Verein. Und in anderen Vereinen oder sonst wo und hörte sie in der Kirche, der Aula oder im »Traube«- Saal, am Abend auf der Straße, gesungen und gespielt von Kindern, Schülern, Jugendlichen und natürlich von Erwachsenen. Das war die Zeit, als einige sangesfrohe Männer aus der Chorprobe kommend bei einem Glas Wein im »Schützen« beschlossen, eine freie, mehrstimmige Männergesangsgruppe zu gründen, der sie auch gleich einen Namen gaben: Octett. 

Eigentlich ist es ein Doppelquartett. Die Statuten wollte man später schreiben und darin als oberstes Gebot festhalten »die Pflege des deutschen und sächsischen Liedguts und der Geselligkeit«. 
Die Statuten sind bis heute nicht geschrieben, dafür aber stets eingehalten worden. 
Da man sehr selbstständig sein, sich keinem anderen Verein oder Einrichtung unterordnen wollte und auch nicht »eingetragen« war, hatte man auch keinen festen Probenraum, sondern gestaltete die Proben reihum bei einem der »Sangesbrüder«, wie sich die Zugehörigen nannten. 
Dies wiederum war der »Geselligkeit« sehr dienlich, musste doch der Gastgeber für das leibliche Wohl der Sangesbrüder aufkommen, also für reichliches Essen und Trinken sorgen, denn die Proben dauerten vom frühen Nachmittag bis zum späten Abend (oder gar frühen Morgen).


Hierdurch hatten auch die Frauen der Sangesbrüder gewisse Pflichten, so dass ein neu dazukommendes Mitglied erst die Einwilligung seiner Gattin einholen musste, die ja die sprichwörtlich gewordene Oktett-Tokana zubereiten und auftischen musste. 
Dies gab den neidischen und spöttischen Mediaschern Anlass, die Worte umzukehren, und bald hieß das Männer-Oktett umgangssprachlich das »Tokana-Oktett«. – Diese gute alte Gepflogenheit ist uns leider abhanden gekommen, Tokana ist nicht mehr »in«, und außerdem soll das üppige Essen nicht so gesund sein.


Dass dem Gesang immer Genüge getan worden ist, zeigen das bis heute aufbewahrte und auch genutzte Notenmaterial und die zum Teil sogar gedruckten Jubiläumsreden. Komponisten wie Franz Abt, Friedrich Silcher, Gustav Wohlgemuth, Heinrich Pfeil, Mozart, Schubert, Mendelssohn-Bartholdy, Brahms, Beethoven, Haydn u.a. sowie viele deutsche Volksweisen waren und sind im Repertoire des Oktetts. Nicht zu vergessen das sächsische Liedgut in Vertonungen von Helmuth Kirchner, Georg Meyndt, Hans Mild, C. Reich, Fr. Schuller, C. Lehrer, A. Nikolaus, H. Bretz, R. Lassel, J.L Hedwig und vielen anderen mehr.


Auftritte des Oktetts hat es sowohl in eigenständigen Veranstaltungen gegeben wie auch in gemeinsamen Auftritten mit anderen musikalischen und literarischen Formationen.


Ich selbst habe 1952 das Oktett unter Leitung seines langjährigen Dirigenten Prof. Arnold Weinrich erstmals mit Begeisterung gesehen und gehört, nicht ahnend, dass ich 30 Jahre später selbst als Sangesbruder würde mitwirken dürfen.


Im Laufe der Jahrzehnte ist in fast allen zum Mediascher Bezirk gehörenden Gemeinden gesungen worden, in Gottesdiensten, auf Gemeindefesten, eigenen Kulturveranstaltungen, am allermeisten natürlich in Mediasch, bei verschiedenen Festlichkeiten, kirchlichen wie weltlichen offiziellen Empfängen, zu Geburtstagen und Begräbnissen Mediascher Persönlichkeiten und eigener Sangesbrüder, auf dem Mediascher Bahnhof bei Ausreisen von Sangesbrüdern und unzähligen anderen Gelegenheiten.


Weitaus am meisten ist allerdings in den Proben und bei für sich selbst organisierten Zusammenkünften und Ausflügen gesungen worden.


Die ausgewanderten Sangesbrüder trafen sich ab der siebziger Jahre einmal im Jahr, jedoch ab 1994 auch zu regelmäßigen Proben. Seither sind sie bei allen Mediascher Treffen dabei gewesen, in Kufstein und später in Dinkelsbühl.


Zur 100-jährigen Jubiläumsfeier (1996) in der Aula des Stephan-Ludwig-Roth-Lyzeums sind 17 Sangesbrüder aus Deutschland angereist, so dass wir an Zahl schon fast einem Männerchor gleichkamen.


Zurzeit singt das Mediascher Männeroktett erstmals unter Leitung einer Frau, unserer Kantorin Edith Toth, und singt unter ihrer Leitung so gut und so gerne wie eh und je.


Gelegenheit dazu bieten uns Gemeindefeste, Gottesdienste in Mediasch und auswärts, Empfänge, Treffen der Mediascher und andere Treffen, auch Treffen verschiedener Musikformationen. Wir singen in Kirchen, Zelten und Sälen, im Schuller-Haus, Honterus-Haus, Gemeindehaus, im Stadtpfarrkeller, im Rathaus, auf Plätzen und Wiesen – und auch auswärts: in Hermannstadt, Schässburg, Kronstadt und sehr vielen siebenbürgischen Dörfern. 
Doch haben wir auch auf Ausfahrten zu Partnergemeinden gesungen. So in Dresden, Nordhausen, Heiligenstadt, Wittenberg, Berlin, und unterwegs in Prag und Budapest.


Anlässlich des 120. Gründungsjubiläums folgten zahlreiche Oktettler aus den beiden Formationen der Einladung der HG Mediasch zu einer gemeinsamen Feier in Dinkelsbühl im Juni 2016. Raimar Klosius, Hans Weinisch, Hugo Schneider und Edith Toth organisierten das festliche Konzert und stimmten eine Programmfolge ab, die beide Gruppen getrennt einstudieren konnten. Als besondere Überraschung stießen zu den uns bekannten Oktettlern auch zwei „Ehrenoktettler“ – Heiko Lehmann und Matthias Dettloff von der Partnergemeinde der Mediascher Evangelischen Kirchengemeinde in Berlin-Friedrichshagen.


Wie groß war die Freude beiderseits, als die Mediascher um 16 Uhr in die Dinkelsbühler St. Pauls Kirche strömten: die Sänger, die in einer fast bis auf den letzten Platz gefüllten Kirche auftreten durften, und die erwartungsfrohen Zuschauer, die 16 freudig gestimmte Sänger im Halbkreis im Altarraum stehen sahen. Es war – nach Bad Kissingen im Herbst 2014 – erst das zweite Mal, dass die beiden Oktetts zusammen musizieren, in einer beachtlichen Stärke eines „Doppel-Oktetts“.


Raimar Klosius und Hugo Schneider referierten über die Geschichte des Oktett, wobei viele lustige Begebenheiten im Publikum für Heiterkeit sorgten. Man stellte sich vor, dass die Gründerväter des „Octett“, die beileibe keine Kinder von Traurigkeit waren, ihre helle Freude hatten, wenn sie denn in dieser Zeit Richtung Dinkelsbühl geblickt und nicht gerade selbst mit Singen beschäftigt waren. Das Publikum spendete lang anhaltenden, verdienten Beifall.


Das Oktett stellte sich nach 120 Jahren als eine lebendige Gruppe von Sängern vor, die für Musik auf hohem Niveau steht und das, so hoffen wir, auch in Zukunft keine Nachwuchssorgen haben wird. Aus Mediasch war 2016 der gewiss jüngste Oktettler aller Zeiten angereist – Raphael Toth! Wollen wir hoffen, dass sich hüben wie drüben weiter begeisterte Sänger finden, die diese schöne musikalische Tradition fortsetzen.


Mögen dem Mediascher Männeroktett, in Mediasch wie auch in Deutschland, noch viele ersprießliche Jahre geschenkt werden und Männer, die gerne mitsingen, die einen gewissen seelischen Gleichklang einbringen, klangvolle Stimmern und einen Sinn für Gesang und Geselligkeit haben!


 


von Altkurator Hugo Schneider (Mediasch) und Hansotto Drotloff (HG-Mediasch)